Das Dorf der Freundschaft ist ein internationales Versöhnungsprojekt. Es wurde durch den ehemaligen US-Soldaten George Mizo initiiert. Es bietet Menschen, die unter den Spätfolgen des Vietnamkrieges leiden – geistig und körperlich behinderten Kindern und Jugendlichen sowie Älteren – Hilfe und Unterstützung.

 

Fortbildung vom 17.9.11 - 2.10.11 im Dorf der Freundschaft

Von Edith Heinlein, Physiotherapeutin Entwicklungshelferin vom DED von 2004-2007 im Dorf der Freundschaft

Die Morgensonne scheint auf die Berge von Laos. Nach einem langen Nachtflug beginnt bald der Landeanflug auf Hanoi-NoiBai. Vier Jahre sind vergangen, seit ich mein Entwicklungshilfeprojekt im Dorf der Freundschaft abgeschlossen habe und nun komme ich für zwei Wochen zurück, um zu sehen, was davon übrig geblieben ist.

Wen werde ich alles noch wiedersehen?
Werden die damals erlernten Therapien noch angewendet?
Was macht das Beratungszentrum, das ich aufgebaut hatte?
Kommen auch Kinder und Eltern von außerhalb des Dorfes, um sich beraten zulassen?
Wie sind die Kontakte zu anderen Einrichtungen mit Kindertherapie?
Wie ist die Situation nach dem Hochwasser?
Wird man mich überhaupt noch erkennen?

Die letzte Frage zuerst beantwortet: Ganz herzlich wurde ich am Flugplatz von Direktor Dung, Hoa und dem Fahrer begrüßt. Ich wurde ins Dorf gefahren, wo ich auch die kommenden zwei Wochen im Gästezimmer wohnen konnte. Die Wiedersehensfreude war groß. Jeder freute sich, dass "Oma Edith" wieder im Dorf war.

Einige Physiotherapeuten hatten das Dorf seither verlassen, andere waren neu und schon etwas angelernt von den Physiotherapeuten des Dorfes. Am nächsten Tag begann ein straffes Fortbildungsprogramm, an dem auch noch zusätzlich sechs Therapeuten aus BaVi, aus Hanoi und von der Universitäts-Kinderklink Hanoi teilnahmen, so dass wir mit der häufigen Teilnahme auch von den Ärzten und teilweise Krankenschwestern verschiedener Kliniken oft auf bis zu 18 Personen kamen. Erstaunlicherweise waren die Physiotherapeuten von ausserhalb nicht bewandert in der Bobaththerapie und hatten z. B. in den letzten Jahren keine Fortbildungen an ihrer Uniklinik erhalten. So hob sich das medizinische Personal vom Dorf deutlich ab und arbeitete auf einem höheren Niveau als die anderen. Etwas stolz war ich da schon.

Jeden Tag wurden 3 Kinder vorgestellt, um dann gemeinsam über Therapieziele und Varianten zu diskutieren. Ein Unterrichtsblock pro Tag galt der Theorie und einer dem praktischen Üben der Therapeuten untereinander auf der Basis von Bobath, Vojta, etwas PNF und kleinen Teilen aus der Manuellen Therapie. Es kamen auch häufig Eltern  mit Kindern aus dem Umland, was den Ruf der Beratungsstelle verdeutlicht.

r201112_4

Die Wissensdurst war riesig. Es gab keine "Anlaufzeit" mehr wie früher, wo es Monate dauerte, bis die Therapeuten es wagten, Fragen zu stellen. Damals war es ein schweres Stück Arbeit, diese Hemmungen zu überwinden, doch dieses Mal wurde ich sofort wieder akzeptiert und in den Kreis aufgenommen. Täglich wurde von 8 - 17 Uhr geübt, nur unterbrochen von 2 Stunden Mittagspause, ganz offensichtlich waren alle erfreut über die Möglichkeit der Wiederholung.

Meine Anerkennung und mein Dank gilt dem Arzt Dem, der gleichrangig mit allen anderen an den Kursen teilnahm, was in Vietnam nicht selbstverständlich ist. Obendrein ist er durch seine pädiatrische Weiterbildung an der Kinderklinik Hanoi reichlich mit Arbeit eingedeckt. Auch die Zusammenarbeit mit Direktor Dung war wieder sehr erfreulich. Er unterstützte mich, wo er nur konnte.

Besonders hervorheben möchte ich aber auch die Arbeit von Übersetzerinnen, die die schwierigen medizinischen Texte simultan übersetzten. Hoa hatte sich extra eine Woche Urlaub genommen. Aber auch danach war die Arbeit von Hoa (sie arbeitet jetzt in der deutschen Botschaft) und Chau (sie ist Lehrerin am Goetheinstitut) unersetzlich für das Gelingen der Fortbildungen. Früher hatte ich außerhalb des Dorfes gewohnt und so war es diesmal eine neue Erfahrung, das Dorfleben auch abends und am Wochenende zu erleben. Es war immer eine friedliche, fröhliche Stimmung. Abends traf man sich zu einer Runde des vietnamesischen Volkssportes, des Federballspiels. Immer wieder erstaunlich ist die offensichtliche Disziplin: Wenn abends zum letzten Mal "auf die Felge geschlagen" wird, wenn also der Zapfenstreich des Dorfes ist, dann geht jedes Kind und jeder Bewohner des Dorfes in sein Haus. Es gibt kein wiederholtes Bitten oder gar eine Ermahnung - nein, dann herrscht Nachtruhe.

Die Neubauarbeiten machen sichtlich Fortschritte und während ich im Dorf lebte, wuchsen drei neue Häuser in die Höhe und es gab auch ein kleines Richtfest. Zur Zeit  wohnen noch einige Kinder sehr beengt, doch dann wird sich das bessern.

Die zwei Wochen vergingen rasend schnell. Die letzten Tage gab es mehrere sehr leckere Abschiedsessen und die Traurigkeit des Abschiedes spürte ich bei allen, mit denen ich zwei arbeits- und auch erfolgreiche Wochen verbracht hatte. Im Flugzeug hängen meine Gedanken noch bei den lieben Menschen im Dorf der Freundschaft. Wann werde ich sie wieder sehen?