Das Dorf der Freundschaft ist ein internationales Versöhnungsprojekt. Es wurde durch den ehemaligen US-Soldaten George Mizo initiiert. Es bietet Menschen, die unter den Spätfolgen des Vietnamkrieges leiden – geistig und körperlich behinderten Kindern und Jugendlichen sowie Älteren – Hilfe und Unterstützung.

Vietnam: A destination of the new millennium

Mit diesem Spruch werden Touristen am Flughafen in Hanoi begrüßt. So auch unser einer – auch wenn wir von den vietnamesischen Partnern als Staatsgäste behandelt worden sind. Überall im Land stößt man immer wieder auf die Aussage, dass Vietnam eines der neuen Reiseziele dieses Jahrtausends ist. Die Reise anlässlich des 9. Internationalen Treffens für das Dorf der Freundschaft war, nach fast 10 Jahren Kontakt und Engagement mit der Idee des Dorfs und deren Umsetzung, nun der Anlass, in dieses südostasiatische Land zu fliegen. Mit Anfang 40 sind die Ersterlebnisse im Leben nicht mehr so ganz alltäglich, aber hier gab es sie in mehrerer Hinsicht:

Asien, Vietnam und das Dorf der Freundschaft mit den Vertreter/innen der verschiedenen Länder.

So sitze ich nun zum Ende der Reise mit Stift und Notizblock in der Halong-Bucht (bzw. wieder zuhause am PC), um ein paar dieser Erst-Eindrücke niederzuschreiben.

Als Bildungsbürger habe ich mich – damit der „Kulturschock Vietnam“ sich im Rahmen hält – (natürlich) lesend auf die Reise vorbereitet. Aber wie das so ist, man ist letztendlich auf die kulturellen „Kleinigkeiten” nicht vorbereitet. Sie werden erst vor Ort erlebt. Wer in den letzten Jahren mal in Hanoi gewesen ist, der kann beispielsweise nachvollziehen, was es heißt, zwischen hunderten von knatternden und hupenden „motorbikes” als Fußgänger die Strasse zu überqueren – während die Asiaten gelassen(?) am (oder besser im) Straßenrand sitzen und essen. Mittels der Technik können wir uns zwar in einigen Stunden nach Vietnam begeben, aber in gewisser Weise empfand ich es wie die Landung auf einem anderen Planeten (wenn Vietnam ein anderer Planet wäre, würde ich ihn aufgrund der unendlichen Wälder und Reisfelder als den „grünen Planeten” bezeichnen). Zwar leben die Menschen in Vietnam auch dadurch, dass sie atmen und essen, aber das „wie” ist eben ein völlig anderes. Herbert Rosendorfers „Briefe aus der chinesischen Vergangenheit” sind mir dazu eingefallen und dass es gar nicht mal der Zeitreise eines Mandarins bedarf, sondern alleine schon der Ortswechsel ausreicht. „Selbstkritisch” drängt sich demzufolge die Frage nach den hiesigen kulturellen Ausformungen auf. Dies fand ich dann auch in meiner Reiseliteratur bestätigt: Viet Nam ist als asiatisches Land mystisch, undurchsichtig, wunderbar. Viet Nam ist aufregend und anregend, kann aber auch sehr anstrengend sein und an den Nerven zehren. Wer genau hinsieht, beobachtet und zuhört, wird zum Nachdenken eingeladen, darüber, wie wir leben, was uns wichtig ist und was wir tun oder ändern sollten.

Es galt also die „europäische Brille” abzunehmen. So musste der unwissende Mitteleuropäer in mir z.B. zunächst auch lernen, dass in Vietnam die Häuser größtenteils nur an der vorderen Hausfassade gestrichen werden. Egal ob aus Geld- oder Farbmangel (oder beidem) bzw. kultureller Gepflogenheit (Bambushütten, die auch noch zu sehen sind, streicht man bekanntermaßen ja gar nicht). Demnach war der Eindruck, dass die Häuser im Dorf der Freundschaft in einem sehr guten Zustand sind (auch wenn der Mitteleuropäer in mir Bedarf nach ein paar Eimern Farbe verspürt hat).

Rainer Hub

Kommt man aus der Hektik Hanois in das Dorf, so gelangt man in eine Oase der Ruhe – und für mein Empfinden auch für die hier lebenden Kinder in eine Oase der Zufriedenheit. Dass Menschen, die in der Hektik Hanois leben, unzufrieden sind, glaube ich nicht, aber die Kinder im Dorf fühlen sich hier sehr wohl. Dazu trägt Herr Hung, der Leiter des Dorfs, sehr bei. Die Kinder mögen und achten ihn – manch europäischer Pädagoge könnte neidisch werden, wie seinen Anweisungen unmittelbar Folge geleistet wird, ohne dass man den Eindruck bekommt, er agiere „autoritär”. Er ist ein Mann, der im Rahmen der Konferenz nicht in der ersten Reihe sitzt, aber im Alltag des Dorfes in der ersten Reihe steht und dessen Seele ist.

In Bezug auf die Konferenz empfand ich es als gleichermaßen beachtlich und schwierig, wie wir zwischen vietnamesischer, englischer, französischer und japanischer Sprache hin- und her gesprungen sind. Selbst oft mit der eigenen Schwierigkeit konfrontiert, die Details wieder mal nicht richtig verstanden zu haben, überlegte und vermutete ich, dass es den jeweils anderen Seiten auch nicht leichter gefallen ist und beim Dolmetschen wird das eine oder andere Wort qua „Flüsterpost” auf der Strecke geblieben sein. Aber in den Konferenzpausen draußen auf dem Hof sah ich die Häuser und spielenden Kinder und dachte: Irgendwie funktioniert es, sonst hätte das alles gar nicht entstehen und wachsen können.

Hier im Dorf ist mir dann auch der Spruch vom Flughafen wieder in den Kopf gekommen und nach einem Nachschlagen im Wörterbuch, dass „destination” auch „Bestimmungsort” bedeutet, empfand ich (in leicht abgewandelter Form): „The village of friendship – a destination for a better life”.

Rainer Hub