Rundbrief August 2016

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Dinh Thi Huong, gehörlos, geistige Behinderung - Nguyen Thi Van Long, Augenerkrankung, Sprachbehinderung

Bericht Internationales Arbeitstreffen

Liebe Freundinnen und Freunde des Dorfs der Freundschaft in Vietnam,

Zum ersten Mal wurde es organisiert und verantwortet von unserem neuen Direktor Herr Tuyen. Auch die verschiedenen neuen Abteilungsleiter trafen erstmals mit den Vertretern der Internationalen Komitees zusammen.

Die Vorbereitung war in jeder Hinsicht gut und durchdacht; Arbeitsunterlagen und Konzepte lagen uns schon vor dem offiziellen Termin detailliert vor.

So war es möglich, dass wir uns schon am Vortag über die Planung für die nächsten zwei Jahre austauschen konnten.

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Herr Dung (4. v.l.) und US -Unterstützergruppe

Zur Eröffnung des Treffens begrüßte Col Dan, Verantwortlicher für Internationale Beziehungen des Veteranenverbandes, die Gäste. Es waren zusätzlich zu uns viele VertreterInnen vietnamesischer Behörden und Verbände gekommen, die das Dorf der Freundschaft unterstützen.

(Der Rundbrief kann hier im PDF-Format herunter geladen werden.)

 


 

Rundgang durchs Dorf

Der Besuch der verschiedenen Sonderpädagogik- und Berufsbildungsklassen gab einen Einblick in die vielfältige und komplexe Arbeit der Mitarbeitenden. Es war schön zu erleben, dass Unterrichtsmaterialien, die in Zusammenarbeit mit früheren Freiwilligen (wir berichteten darüber) entstanden waren, eingesetzt und weiterentwickelt wurden. Neu und erfreulich ist, dass inzwischen auch Sonderpädagogik-Studentinnen der Uni Hanoi im Dorf der Freundschaft ihre Praktika absolvieren und in den Klassen mitarbeiten.

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Einzelförderung wird möglich
durch vietnamesische Sonderpädagogikstudenten

Mit Stolz wurde uns das neue therapeutische Schwimmbad gezeigt, das von unserer französischen Unterstützergruppe initiiert und anfangsfinanziert wurde. Die vietnamesische Regierung übernahm die Kosten für die Fertigstellung. Speziell ausgebildete Mitarbeitende bieten hier schwimmtherapeutische Übungen an.

Bewegend für uns war die Begegnung mit den Veteranen, die im Rehabereich behandelt werden. Ihre Dankbarkeit kam auf vielfache Weise zum Ausdruck. Auch der Arztassistent Thai nutzte die Gelegenheit, dem Internationalen Komitee für die finanzielle Ermöglichung seiner Stelle zu danken.


 

Eine besondere Ehre

Für ihre langjährige und engagierte Arbeit wurde folgenden UnterstützerInnen die Freundschaftsmedaille des Landes Vietnam verliehen:

Shigemitu Ahara, Präsident des japanischen Komitees; Rosemarie Höhn-Mizo, Präsidentin des Internationalen Komitees; Becky Luening, Präsidentin des US-Komitees; Brigitte Müller, Gründungsmitglied und Schatzmeisterin des deutschen Komitees und Raphael Vahé, Vizepräsident des Internationalen Komitees.

Wir sind uns bewusst, dass wir diese große Anerkennung auch stellvertretend für all die Menschen entgegen nahmen, die mit ihren kleinen und großen Aktionen, mit ihrer Unterstützung und mit ihren Spenden die Arbeit für das Dorf der Freundschaft möglich machen und tragen.

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Deshalb an dieser Stelle Ihnen allen ein ganz herzliches Dankeschön!

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Unser Freund Shige Ahara aus Japan wird aufgrund seines Alters und seiner angegriffenen Gesundheit seine Arbeit an einen Nachfolger weitergeben. Es war eindrucksvoll, den Bilderrückblick seiner Aktivitäten im japanischen Komitee zu sehen. Außerdem hat er uns in all den Jahren immer wieder mit seinen Liedern erfreut! Für sein großes Engagement sind wir sehr dankbar!


 

Was steht an?

Die Arbeitsgespräche waren im Wesentlichen von folgenden Themen bestimmt: Der Gesamthaushalt des Dorfes wird zu 78% vom Veteranenverband (bzw. über entsprechende Anträge vom vietnamesischen Staat) finanziert. Wir als internationale Unterstützergruppe versuchen, über Spenden 20% zu finanzieren, das sind für 2017 insgesamt 108 026 US Dollar (96 834 Euro), für 2018 112 677 US Dollar (100 835 Euro). 2% der Kosten werden über Spenden vor Ort gedeckt.

Zur Förderung von Kleinprojekten, für die zweckgebundene Spenden sinnvoll sind, werden unsere Partner eine Liste mit entsprechenden Vorhaben erstellen.

Ein Anliegen unserer Partner ist es, einen Finanztopf zu schaffen, der als Starthilfe für junge Erwachsene mit Behinderung dient, die das Dorf der Freundschaft verlassen. Sie können mit der Unterstützung z.B. ein eigenes kleines Unternehmen beginnen oder Arbeitsmaterialien anschaffen. Auch Familien mit besonders schwieriger Lebenssituation, in die ein Jugendlicher mit Behinderung zurückkehrt, sollen diese Art von Unterstützung erhalten.

Das Internationale Komitee schafft eine zunächst einjährige Planstelle für eine/n Angestellte/n, die oder der unsere Lehrerin Ms. Loan beim Finden und Organisieren von Möglichkeiten zur selbständigen/ beruflichen Lebensgestaltung für junge Erwachsene mit Behinderung unterstützen soll. Es ist schwer, in Vietnam einen Arbeitsplatz zu finden, erst recht für Menschen mit Behinderung.

Um die Freiwilligenarbeit im Dorf der Freundschaft leichter zu organisieren und zu strukturieren, werden wir in Zukunft mit den beiden Organisationen “Volunteers for Peace” und “Project Abroad” zusammen arbeiten.

Die feierliche Unterzeichnung eines Memorandums und das obligatorische Gruppenfoto beendeten unseren erfolgreich verlaufenen Arbeitstermin.

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Gelungene Zusammenarbeit von Menschen
aus sechs Nationen


 

Eine gute Tradition

Der Tag nach den Arbeitsterminen ist gedacht für gemeinsame Unternehmungen und den Austausch unter den internationalen und den vietnamesischen Delegierten. Wunsch war es, eine andere Einrichtung für behinderte Menschen in Ba Vi zu besuchen – zum Kennenlernen, zum Erfahrungsaustausch, zur Anregung von Kooperation zwischen ähnlichen Arbeitsfeldern.

So herzlich das Willkommen und der Austausch war, so herzergreifend schwer war es, die schwerstbehinderten Agent Orange-Opfer dort zu erleben. Viele der Kinder, die wir sahen, wurden nach ihrer Geburt im Krankenhaus zurückgelassen, weil die Familien aufgrund der schweren Behinderungen die Betreuung und Versorgung nicht leisten können.

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Das unermessliche Leid, das hinter unseren Eindrücken liegt, können wir nur ahnen - und wir haben großen Respekt vor den Mitarbeitenden dort, die sich dieser immensen Aufgabe und Herausforderung tagtäglich stellen.

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Dank und Abschied

Verständigung, gemeinsame Arbeit und Freundschaft über nationale Unterschiedlichkeiten hinweg sind nicht selbstverständlich. Wir haben all dies wieder einmal im Dorf der Freundschaft erleben dürfen. Dankbar für viele kostbare Momente des offenen und herzlichen Umgangs miteinander denken wir an diese Tage zurück.

Bis in zwei Jahren wieder - 2018 zum 20-jährigen Jubiläum im Dorf der Freundschaft in Vietnam!

Bis dahin wird - wie immer - noch viel zu tun sein. Wir hoffen auf Ihre Unterstützung und danken Ihnen dafür, dass Sie dem Dorf der Freundschaft verbunden bleiben.

In Frieden und Freundschaft
Rosemarie Höhn-Mizo
Brigitte Müller


 

Vis-à-vis: Auf einen Chantré mit Papas Feind

Okay, zugegeben, die Überschrift ist etwas überspitzt. Aber wenn man mal so drüber nachdenkt, ist es eigentlich genau so. Nur mit dem Unterschied, dass besagter Feind heute ein guter Freund ist. Trinh hat damals gegen meinen Vater gekämpft. Er hat sein Land verteidigt, ist für seine Werte eingestanden und hätte ihn vermutlich ohne zu zögern getötet, wenn er vor ihm gestanden wäre. Und jetzt sitzen wir hier, trinken Tee und eben Chantré und schauen uns Fotos an: von ihm und meinem Dad, von mir als kleinem Kind in seinen Armen. Familienfotos mit ihm als Teil davon.

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Trinh (86 Jahre) ist ein wahrlich beeindruckender Mann. Schon in früher Jugend hat er im französischen Indochinakrieg gekämpft, später gegen die Amerikaner. Er hat in seinem Leben viel bewegt, hat seither viel für den Frieden auf der Welt und im eigenen Land getan. Was mir jedes Mal bei Vietnambesuchen aufs Neue durch den Kopf geht, ist die Tatsache, wie "einfach" Menschlichkeit sein kann. Trinh unterscheidet klar, was im Krieg war und was heute ist - wie fast alle vietnamesischen Kriegsveteranen. Wenn die Vietnamesen erzählen, war es für sie immer der Feind im politischen Sinne, nie aber der Mensch selbst. Wenn ich alte Vietnamesen frage, ob sie nicht manchmal noch einen Groll gegen die Amerikaner haben, kommt immer eine Antwort in der Art: "Ach, das war damals. Das ist doch längst vorbei". In Zeiten von blindem Terror, fliehenden Menschen und sehr fragwürdigen Alternativen für Deutschland sollte sich jeder einmal diese Menschlichkeit durch den Kopf gehen lassen. Sich fragen, was das eigentlich für ein Mensch ist, der da vor einem steht. Und nicht, woher er kommt, was er für eine Hautfarbe hat oder welche Politik seine Regierung verfolgt. Trinh ist stolz auf sein Leben; im Wohnzimmer hängen Bilder von ihm in Uniform, gespickt mit unzähligen Medaillen und Auszeichnungen. Seine wahre Größe ist aber die Tatsache, dass er in seinem Wohnzimmer sitzt und Tee mit den Menschen trinkt, die ihm wichtig sind, unabhängig von ihrer Geschichte und der Vergangenheit. Einfach weil er sie mag.

Michael Mizo


 

Wir trauern

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um John Berlow, der unerwartet am 22.2. diesen Jahres an den Folgen einer Embolie starb.

John lebte abwechselnd in den USA und in Vietnam. Er initiierte das “Organic Gardening Project” im Dorf der Freundschaft und begleitete es mit seiner intensiven ehrenamtlichen Arbeit über viele Jahre hinweg. Biologischer Anbau von Obst und Gemüse, das Pflanzen von schattenspendenden Obstbäumen und eine “grüne”, ökologische Umgebung für die BewohnerInnen des Dorfs waren ihm eine Herzensangelegenheit, für die er sich mit großem Engagement einsetzte.

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In Erinnerung an John hat das Internationale Komitee einen Baum im Dorf gepflanzt.


 

Erneut Überflutung im Dorf der Freundschaft

Trotz der nach der großen Überschwemmung 2008 getroffenen Flutsicherungsmaßnahmen kam es nach schweren Regenfällen in der Nacht vom 10. Mai zu Überflutungen im Dorf der Freundschaft.

Gott sei Dank kamen keine Menschen zu Schaden, und der sofortige nächtliche Einsatz der Dorfleitung und der Mitarbeiter verhinderte Schlimmeres. Das Wasser stieg in zwei der Wohnhäuser bis zu 80cm, der Speisesaal war 60 cm hoch überflutet.

Die Schäden sind enorm: das Gaskochsystem der Großküche ist beschädigt, es gibt Schäden am elektrischen System und an den Wasserreinigungstanks, eine Wasserpumpe ist kaputt; Ventilatoren, Kleidung, Matratzen, Tische und Stühle sind durch die Überflutung unbrauchbar geworden.

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Mittlerweile ist ein großer Teil der Schäden wieder repariert. "Die Alltagsaktivitäten im Dorf der Freundschaft laufen wieder normal", schreibt der Direktor. Um die Fertigstellung der Baumaßnahmen zur Flutsicherung voranzutreiben, haben unsere Partner bereits einen Antrag zur Finanzierungshilfe an die vietnamesische Regierung gestellt.


 

90 Tage in Vietnam

Im Rahmen unseres Studiums der Sozialen Arbeit waren wir drei Monate lang im Dorf der Freundschaft.

In zwei Klassen unterstützten wir die Lehrerinnen und fertigten Unterrichtsmaterialien an. Wir arbeiteten sowohl im Klassenverband als auch in Einzelstunden, je nach Bedürfnis und individuellem Können der Kinder. Von den Vorarbeiten ehemaliger Freiwilliger konnten wir viel profitieren. Unsere Angebote wurden freudig angenommen und die sichtbaren Fortschritte waren ermutigend.

Die uns fremde Mentalität und die Lebensumstände der Menschen sorgten für Gesprächsstoff. Eindrücklich war auch das vietnamesische Neujahrsfest Tet mit seinen Ritualen.

Wir sind dankbar für diese einmalige Erfahrung und möchten mit dem Dorf der Freundschaft und dem deutschen Verein gerne auch weiterhin im Kontakt bleiben.

Corinna Plack / Tamara Bleich


 

Veteranen “schießen” jetzt zurück: Eindrücke zwischen fünf Besuchen im Dorf der Freundschaft

Die rasante Modernisierung Vietnams ist inzwischen auch an den Veteranen im Dorf der Freundschaft ablesbar – zumindest oberflächlich. Bereits fünf Mal hat in den letzten sechs Jahren eine Gruppe von Leserinnen und Lesern der Berliner tageszeitung (taz) im Rahmen ihres Programms “Reisen in die Zivilgesellschaft” das Dorf der Freundschaft besucht. Der deutsche Unterstützerverein ist dabei ein wichtiger Partner. Für die meisten deutschen Teilnehmerinnen und Teilnehmer – mehrheitlich zwischen 50 und 70 Jahre alt – waren die Bilder vom Vietnam-Krieg prägend in der Jugend und haben das politische Engagement befördert.

Wir alle kennen amerikanische Vietnam-Kriegsfilme und Hollywoods Umgang mit den Kriegsverbrechen. Vietnamesen sind dabei nur Statisten. Dann sitzen wir im Dorf der Freundschaft plötzlich vietnamesischen Veteranen gegenüber. Sie haben vom Leben gezeichnete Gesichter. Während bei uns gegen den Krieg demonstriert werden konnte, mussten sie mit einfachen Mitteln gegen die tödlichste Kriegsmaschinerie der Welt kämpfen. Sie sind meist einfache Menschen vom Land, deren Leid und das ihrer Kinder bis heute weiter gehen. Wir sind erstaunt und betroffen, wie oftmals abgeklärt sie von etwas berichten, das für uns unvorstellbar ist. Sie haben gelernt, Agent Orange als Schicksalsschlag hinzunehmen, dabei wissen alle, dass es von Menschen gemacht ist.

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Die Begegnungen sind herzlich. Die Veteranen freuen sich über unser Interesse. Früher haben stets nur die Deutschen dies mit ihren Fotoapparaten festgehalten. Vor zwei, drei Jahren zog dann plötzlich ein erster Veteran eine kleine Digitalkamera aus der Hose. Jetzt beim letzten Besuch im Januar zückten schon mehrere Veteranen Smartphones und “schossen” wie selbstverständlich zurück.

Sven Hansen ist taz-Asienredakteur und leitet die taz-Leserreisen in Vietnams Zivilgesellschaft. Die nächste Reise findet voraussichtlich Anfang 2018 statt.


 

Termine

Fotos: Brigitte Müller, Becky Luening, Sven Hansen, Ms.Ngoc Ha, Mike Hastie, Rosemarie Höhn-Mizo